Dienstagabend in Bremen. Die Bürgerweide ist voll. Rund 35.000 Heavy‑Metal‑Fans pilgern heran, viele stehen schon lange vor dem Einlass bereit. Das Wetter? Typisch norddeutsch – immer wieder leichter Nieselregen, aber kein Grund für schlechte Laune – im Gegenteil. Die Stimmung ist prächtig, die Getränkestände und Food Trucks gut besucht und die Fans sind voller Vorfreude auf das, was sie an diesem Abend erwartet.
Avatar bringt die Bühne auf Betriebstemperatur
Den Abend eröffnet Avatar. Die Schweden begleiten Iron Maiden auf diesem Teil der Europatour – und liefern eine druckvolle Show, die von der ersten Minute an funktioniert. Sänger Johannes Eckerström überrascht mit fließendem Deutsch. Mit einem Potpourri aus älteren Songs wie „Smells Like A Freak Show“ und der aktuellen Single „Captain Goat“ sorgen die Göteborger für Stimmung.
Iron Maiden steigen ohne Umwege ein
Bevor „The Ides of March“ vom Band erklingt, wird die Menge traditionell mit „Doctor Doctor“ von UFO angeheizt – der Klassiker sorgt wie immer für kollektive Ausraster vor der Bühne.
Wenig später starten Iron Maiden dann durch – und es gibt kein Halten mehr. „Murders in the Rue Morgue“, „Wrathchild“ und „Killers“ geben den Auftakt – drei Songs aus der frühen Phase, hart, kompakt, direkt. Zu „Killers“ erhält die Band Besuch von Maskottchen Eddie, der mit einer Axt bewaffnet über die Bühne stapft und versucht, den Protagonisten der Band symbolisch die Köpfe abzuschlagen – ganz in klassischer Maiden-Manier.
Frühwerk, Dynamik und Kontrolle
„Phantom of the Opera“ folgt als vierter Song, begleitet von einem digitalen Bühnenbild, das hinter einem rot animierten Vorhang erscheint. Die Band verzichtet auf der Tour auf große Bühnenaufbauten. Stattdessen setzen Iron Maiden auf digitale 8K-Visuals mit 3D-Effekt – detailreich, klar und wirkungsvoll, ohne vom Wesentlichen abzulenken. Maskottchen Eddie tritt immer wieder in den Visuals in Erscheinung.
Die Setlist liefert genau das, was eingefleischte Fans wünschen: Klassiker wie „The Number of the Beast“, „Run to the Hills“, „Hallowed Be Thy Name“ und „The Trooper“. Vor allem aber die seltenen Juwelen: „Rime of the Ancient Mariner“ mit düsterer Dynamik, „Seventh Son of a Seventh Son“ mit dichter Atmosphäre und Nebel, „Powerslave“ mit messerscharfem Fokus. Auch „2 Minutes to Midnight“, „The Clairvoyant“ und „Wasted Years“ sind Teil dieses Abends – alles gespielt mit Präzision, ohne Routine.
Dickinson steht durchweg im Mittelpunkt, wechselt einzelne Outfits, ohne die Show in Richtung Theater zu kippen. Jeder Song bekommt seine Szene – klar, wirkungsvoll, aber nie überzogen. Die Gitarristen Murray, Smith und Gers sind in Topform. Letzterer fällt wie gewohnt durch Showeinlagen auf, ohne vom Spiel abzulenken.
Keine Show ohne „The Trooper“ – und keine ohne Gänsehaut
Der Sound ist laut, aber kontrolliert. Die Gitarren stehen klar im Mix, Bass und Schlagzeug treiben – auch auf dem weiten Gelände bleibt alles definiert. Als Dickinson „Scream for me, Bremen!“ ruft, antwortet die Menge aus voller Kehle. Bei „The Trooper“ schwenkt er die Fahne. Und bei „Fear of the Dark“ singt ein Chor von 35.000 Fans lautstark mit – kein Song symbolisiert den Schulterschluss von Band und Fans so eindrucksvoll wie dieser.
Den Abschluss bildet schließlich „Wasted Years“, bevor Bruce Dickinson sich mit wenigen Worten verabschiedet und Iron Maiden unter dem frenetischen Jubel der 35.000 Fans ihren eindrucksvollen Bremer Triumphzug um Punkt 23:00 Uhr beenden.
Iron Maiden zeigen in Bremen, dass sie keine Vergangenheit feiern müssen, um in der Gegenwart zu bestehen. Die Run For Your Lives World Tour 2025 blickt zurück – aber sie bleibt ganz im Jetzt. Direkt, ehrlich, lebendig.
Mit Maiden durch die Jahrzehnte
Iron Maiden sind wie ein guter Wein. Mit jeder Tour wirken sie entschlossener, frischer und zugleich souveräner. Wer die Band über Jahrzehnte begleitet hat, erkennt, dass sie sich nie wiederholt – sondern jede Tour in neue Kontexte setzt, neue Schwerpunkte legt, sich neu denkt.
Ich selbst habe Iron Maiden erstmals 1993 in der ausverkauften Music Hall in Hannover erlebt – es war damals bereits ein Ereignis. Leider war es zugleich die Abschiedstour von Bruce Dickinson, der die Band kurze Zeit später verließ. In der Zwischenzeit sah ich Maiden mit Blaze Bayley nur ein einziges Mal – in Hannovers Capitol. Die Musik war präsent, das Logo war da, aber das Gefühl: nicht dasselbe.
Zum Glück kehrte Dickinson 1999 zurück. Seitdem haben Iron Maiden eine Form gefunden, die sie bis heute tragen – und tragen können. Dieses Konzert in Bremen war mein siebtes Maiden-Konzert. Und wie jedes Mal war es besonders. Weil sie sich nie auf ein Standardprogramm verlassen. Weil es nie leblos wird. Weil selbst ein Abend mit vielen Klassikern wie eine Neuentdeckung wirkt.
Ich sage Danke für dieses Erlebnis – und hoffe, dass es nicht das letzte war. Denn wenn Iron Maiden eines immer wieder beweisen, dann, dass sie auch mit 50 Jahren Bandgeschichte nicht stillstehen. Sondern weiterziehen. Run For Your Lives.
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