Die italienische Rockikone trotzt den Jahrzehnten

Ein ausverkaufter Stadtpark, laue Sommerluft und eine Frau, die mit 71 Jahren immer noch wie ein Wirbelwind über die Bühne fegt: Gianna Nannini zeigt an diesem Abend in Hamburg, warum sie seit fast fünf Jahrzehnten zu den prägendsten Stimmen des europäischen Rock zählt. Schon lange vor Einlass kreuzen sich an der S-Bahnstation Alte Wöhr die Wege von Fans, viele mit selbstgebastelten „Ticket gesucht“-Schildern. Wer eine Karte ergattert hat, darf sich auf ein Konzert freuen, das alles andere als routiniert abläuft – sondern voller Energie, Spielfreude und Charakter steckt.

Ein Leben zwischen Skandal und Soundtrack

Die Bühne ist schlicht gehalten, der Fokus liegt auf der Musik – und auf Nannini selbst. Ohne große Worte eröffnet sie ihr 90-minütiges Set und nimmt das Hamburger Publikum mit auf eine Reise durch eine Karriere, die 1976 begann – in einer Republik, die damals noch von Helmut Schmidt regiert wurde. Gianna Nannini erzählt an diesem Abend keine Geschichten. Sie lebt sie. Stück für Stück.

Mit Klassikern wie „Bello e impossibile“, „I maschi“ oder „Fotoromanza“ feiert das Publikum die unverwüstliche Kraft des Italo-Rock, der einst deutsche Plattenregale dominierte. Und auch wenn die große Zeit des Genres längst Geschichte ist – Nannini ist gekommen, um zu zeigen, dass ihre Musik kein Relikt ist. Sondern eine lebendige Erinnerung, die noch immer brennt. Ihre Stimme – rau, wild, unverkennbar – trägt durch den Abend, getragen von einer spielfreudigen Band, die druckvoll und präzise agiert. Der Bassist fächert sich in den Pausen Luft zu, das Publikum tanzt, singt und feiert.

„Sei nell’anima“ – der aktuelle Herzschlag

Die Tour trägt den Titel ihres aktuellen Albums „Sei nell’anima“ – ein Werk, das mehr Soul als Pop atmet, introspektiver ist als früher, aber nichts von ihrer Ausdrucksstärke verloren hat. Die neuen Songs fügen sich nahtlos ins Set ein, als ob sie schon immer Teil ihres Repertoires gewesen wären. Und während Netflix mit dem Biopic „Una ribelle meravigliosa“ (dt. „Eine schöne Rebellin“) ihre Geschichte aufarbeitet, schreibt Nannini an diesem Abend ihr nächstes Kapitel: live, direkt, ohne Umwege – mit kraftvoller Stimme und ungebrochener Bühnenpräsenz.

Keine Altersmilde, nur Adrenalin

Es ist schließlich die Zugabe „Latin Lover“, bei der Gianna Nannini ihren beiden Gitarristen in die Arme springt – ein ungestümer, fast jugendlicher Moment, der sinnbildlich für diesen Abend steht. Kein bisschen Nostalgie, kein verklärter Rückblick – sondern pure Präsenz. Der Stadtpark tobt, das Publikum feiert. Wer vorher noch zweifelte, weiß spätestens jetzt: Gianna Nannini ist keine Künstlerin, die in der Vergangenheit lebt. Sie ist hier. Und sie lebt diesen Abend mit einer Kraft, die man nicht simulieren kann.

Fotos: Music-Pics.de

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