Freitag: Auftakt im Dauerregen – Punkrock auf rutschigem Untergrund
Am Ihmeufer in Hannovers Calenberger Neustadt beginnt das Fährmannsfest 2025 mit einer Wetterlage, die eher an Herbst als an Hochsommer erinnert. Schon vor dem ersten Ton hat der Dauerregen die Wiese vor der Hauptbühne in eine braune, tiefe Fläche verwandelt. Doch der Platz füllt sich – wer hierherkommt, weiß, dass dieses Festival nicht vom Wetter lebt, sondern von der Musik.
The Red Flags und Uli Sailor – Erste Klänge im Regen
Den musikalischen Start übernimmt das Kölner Frauenquartett The Red Flags. Ihr Girlgroup-Grunge klingt rau und direkt, getragen von einem klaren Rhythmusfundament. Trotz des strömenden Regens bleiben die ersten Reihen dicht besetzt. In den Umbaupausen sorgt Uli Sailor am Punkrock-Piano für Unterhaltung – eigentlich auf einer kleinen Freiluftbühne geplant, zieht er wetterbedingt ins Zelt um und spielt dort vor dicht gedrängtem Publikum.
Itchy – Funpunk mit Festivalenergie
Mit den drei Schwaben von Itchy zieht das Tempo an. Die Band bringt ihren Funpunk mit klarer Ansage und sichtbarer Spielfreude auf die Bühne. Das Publikum verwandelt den Schlamm kurzerhand in einen Tanzboden, Circle Pits bilden sich und lösen sich wieder auf, während der Regen ohne Unterbrechung weiterfällt.
The Subways – Britischer Garagenrock in Vollkontakt
Das britische Trio The Subways liefert ein Set, das von Anfang an auf Bewegung ausgerichtet ist. Frontmann Billy Lunn sprintet von der Bühne, springt in den Matsch und spielt durchnässt weiter. Die Songauswahl umfasst „Oh Yeah“, „Kiss Kiss Bang Bang“, „Influencer Killed the Rock Star“ und „Rock’n’Roll Queen“. Die Mischung aus Garagenrock, Rock’n’Roll und Punk greift sofort – selbst in den hinteren Reihen wird getanzt.
Donots – Headliner mit direkter Publikumsanbindung
Als der Regen langsam in ein feines Nieseln übergeht, betreten die Donots um 21:30 Uhr die Bühne. Von der ersten Sekunde an ist klar: Dieser Auftritt ist nicht nur ein Abschluss des Tages, sondern ein Höhepunkt des gesamten Wochenendes.
Mit „Auf sie mit Gebrüll“ als Opener setzt die Band sofort den Ton – direkt, laut, mitreißend. „Calling“ und „Keiner kommt hier lebend raus“ halten die Spannung, bevor mit „Wake the Dogs“ und „Dead Man Walking“ die ersten englischsprachigen Klassiker folgen. Bei „Apokalypse Stehplatz Innenraum“ und „Hey Ralph“ wird der Platz vor der Bühne zu einer einzigen hüpfenden Fläche, und zu „Hunde los“ steigt die Lautstärke des Publikums merklich an.
In der Mitte des Sets finden sich die deutschsprachigen Nummern „Ich mach nicht mehr mit“, „Dann ohne mich“ und „Kaputt“, bevor ein besonderer Moment folgt: „Augen sehen“ – gespielt im Duett mit „Sibbi“ Hafner von Itchy, der Guido Knollmann während des Solos mit Chips füttert. Danach folgen „Problem kein Problem“ und „Solid Gold“, beide mit intensiver Publikumsbeteiligung.
Der Endspurt beginnt mit „Stop the Clocks“, gefolgt von „Whatever Happened to the 80ies“ und einem Überraschungsmoment: „We’re Not Gonna Take It“, ein Twisted-Sister-Cover, das die Menge lautstark mitgrölt. Zum Abschluss gibt es „Eine letzte letzte Runde“ und als endgültigen Schlusspunkt „So Long“ – das Publikum singt die Zeilen noch weiter, als die Band schon am Bühnenrand steht und sich bedankt.
Die Donots zeigen an diesem Abend, warum sie seit über 30 Jahren zu den prägenden Live-Acts im deutschsprachigen Raum gehören – mit einem Set, das gleichermaßen kraftvoll, abwechslungsreich und publikumsnah ist.
Samstag: Politische Ansagen und gelebte Festivaltradition
Der zweite Tag des Fährmannsfests beginnt erneut mit Nässe von oben, doch das Gelände ist schon am Nachmittag gut gefüllt. Rund 4000 Besucherinnen und Besucher wechseln zwischen der Hauptbühne, der Bunten Bühne auf dem gegenüberliegenden Ihmeufer und den zahlreichen Infoständen.
Eisbrecher, Headjet und The Tips – Vielfalt auf der Bunten Bühne
Auf der Bunten Bühne eröffnet die inklusive Band Eisbrecher das Programm, wie jedes Jahr ein fester Bestandteil des Festivals. Zwischen den Auftritten von Headjet und The Tips findet ein Poetry Slam statt, während auf den Wiesen Familienpicknicks stattfinden und Kinder spielen.
The Iron Roses – Theatralischer Punk mit klarer Ansage
Auf der Hauptbühne bringen The Iron Roses frische Energie ins Spiel. Sänger Nathan Gray, schrill gekleidet und mit charismatischer Bühnenpräsenz, führt eine Show, die Elemente aus Punkrock und theatralischer Inszenierung verbindet. Der Sound ist druckvoll, die Übergänge zwischen den Songs wirken wie inszenierte Szenenfolgen, und die Ansagen sind pointiert. Die Band liefert eine Mischung aus kämpferischen Hymnen und melodischen Momenten – ein Auftritt, der visuell wie musikalisch im Gedächtnis bleibt.
Adam Angst – Präzision mit ironischer Note
Auf der Hauptbühne beginnen Adam Angst ihr Set mit energiegeladenem Hamburger-Schule-Punk. Sänger Felix Schönfuss greift den Publikumsruf „Adam Angst in die Muppet Show!“ auf – eine Aktion, die am Vortag von Ingo Knollmann ins Rollen gebracht wurde – und reagiert mit trockenem Humor, ohne den musikalischen Fluss zu unterbrechen.
Slime – Neue Stimme, vertraute Klassiker
Besonderes Augenmerk liegt an diesem Tag auf Slime. Mit Tex Brasket als Sänger seit 2021 hat die Band eine Stimme gefunden, die sowohl die bekannten Klassiker wie „Alle gegen alle“ als auch neue Stücke vom aktuellen, 13. Album prägnant interpretiert. „Armes Deutschland“ und andere neue Titel gewinnen durch seine persönliche Geschichte zusätzlich an Gewicht. Das Zusammenspiel von altbekanntem Material und neuem Repertoire funktioniert nahtlos.
Dritte Wahl – Festivalfinale des Tages
Als es dunkel wird, betreten Dritte Wahl die Bühne für ihren Headliner-Auftritt. Den Auftakt macht „Der Himmel über uns“ – ein Stück, das sofort Weite und Atmosphäre erzeugt. Mit „Störung“ und „Wir schießen die Milliardäre ins All“ steigt die Intensität, bevor „So wie ihr seid“ eine persönliche Note setzt. Einen besonderen Moment bietet „Zu wahr um schön zu sein“, bei dem Nana Falkner am Piano und Gesang für zusätzliche Tiefe sorgt.
In der Mitte des Sets wechseln sich treibende Nummern wie „Panama“, „Das regelt der Markt“ und „NVA“ mit Gemeinschaftssongs wie „Zusammen“ ab. „Greif ein“ bringt noch einmal Bewegung in die Menge, während „Urlaub in der Bredouille“ – erneut mit Falkners Gesang – für einen ruhigen Kontrast sorgt.
Im Schlussteil reiht sich ein Höhepunkt an den nächsten: „Auge um Auge“, „Halt mich fest“, „Runde um Runde“ und „Wo ist mein Preis?“ halten das Tempo hoch, „Sonne & Meer“ und „Zeit bleib stehen!“ schaffen eine fast zeitlose Stimmung. Den finalen Schub liefert „Fliegen“, das von der gesamten Menge mitgesungen wird. Selbst nach dem letzten Akkord hallt der Refrain weiter über das Gelände und so nimmt auch der Samstag beim Fährmannsfest einen perfekten Abschluss.
Sonntag: Sonne, entspannte Atmosphäre und lokale Beiträge
Nach zwei Tagen unter grauem Himmel zeigt sich der Sonntag in Hannover sonnig und warm. Der eintrittsfreie Tag ist traditionell familienfreundlicher ausgerichtet und bringt rund 5000 Menschen auf das Festivalgelände.
Egon und die Treckerfahrer, 24/7 Diva Heaven – Kontraste im Programm
Auf der Bunten Bühne sorgt Egon und die Treckerfahrer mit Kindermusik für Stimmung bei den jüngsten Festivalgästen. Auf der Hauptbühne setzt 24/7 Diva Heaven mit druckvollem Garagenrock einen deutlichen Kontrast. Sängerin Katharina Ott-Alavi fordert das Publikum zum Mitmachen auf und platziert klare Ansagen zwischen den Songs, darunter das Statement „Am Ende geht’s um Liebe – wählt nicht die AfD“.
Alex Mofa Gang und Wisecräcker – Gemeinschaft auf der Bühne
Die Alex Mofa Gang greift mit „Kein Land in Sicht“ ernste Themen auf und führt das Set in eine Coverversion von Bosses „Frankfurt/Oder“, unterstützt von Bela Lehnhardt von Wisecräcker an der Trompete. Das Zusammenspiel verleiht dem Song einen zusätzlichen Farbtupfer und wird vom Publikum entsprechend aufgenommen.
Fun Fun Crisis und Steintor Herrenchor – Lokaler Schlusspunkt
Das Festivalfinale gehört den hannoverschen Bands. Fun Fun Crisis, eine prägende Größe der lokalen Indie-Szene der 90er Jahre, spielt auf der Bunten Bühne, während der Steintor Herrenchor auf der Hauptbühne den Schlusspunkt setzt. Das Trio bewegt sich stilistisch zwischen Indie-Pop und Post-Punk, mit deutlichen Einflüssen von The Cure. Sänger Timon Kirstein klingt dabei wie Robert Smith zu frühen Bandzeiten. Der Abend endet mit einem ruhigen, melancholischen Ausklang in der blauen Stunde.
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