Ein Ausnahmekünstler in Hochform, ein Stadion im kollektiven Ausnahmezustand und eine Show für die Geschichtsbücher: Robbie Williams hat die ausverkaufte Heinz von Heiden Arena nicht einfach bespielt – er hat sie erobert. Mit einer Performance, die irgendwo zwischen Wahnsinn, Witz und emotionaler Wucht pendelte, krönte sich der Brite in Hannover endgültig zum „King of Entertainment“ – mit Stil, mit Seele, mit Stimme. Und mit einem Set, das in puncto Showqualität Maßstäbe setzt.
Abflug mit Rakete: Williams landet in einer anderen Galaxie
Punkt 20:40 Uhr beginnt die Mission Robbie. Der Startschuss fällt mit „Rocket“, der ersten Single seines kommenden Albums Britpop. Auf den LED-Wänden wird über künstliche Intelligenz und die Zukunft des Entertainments philosophiert – Elvis, Lennon und Bowie schalten sich ein, bevor Robbie selbst erscheint: im silbernen Raumanzug, umringt von Mikrofonen, wie ein spaciger Hohepriester der Popkultur.
Was dann folgt, ist Spektakel pur: Über eine goldene Treppe erklimmt er einen Portalbogen, hakt sich ein – und wird kopfüber herabgelassen, während „Let Me Entertain You“ aus den Boxen explodiert. Die Arena verliert den Boden unter den Füßen. Zwei Tänzerinnen helfen ihm aus dem Raumanzug, darunter: ein knallroter Trainingsanzug, eng, grell, ironisch. Robbie ist da. Und der Abend beginnt mit einem Knall.
Zwischen Selbstironie, Glanz und Schmerz
Robbie Williams spielt nicht einfach – er erzählt, provoziert, nimmt sich selbst aufs Korn. Auf den Screens liefert er sich ein Schlagabtausch mit einem digitalen Ich, das ihn jugendlich-frech beleidigt. Das Publikum johlt. Dann wird es ernst: Er spricht über seine Suchtvergangenheit, psychische Kämpfe, den ewigen Druck, zu gefallen. „Ich bin nicht mehr der Robbie, den ihr kennt – aber ich bin ehrlicher“, sagt er. Kein Pathos, kein Mitleid – nur ungeschönte Offenheit mit britischem Biss.
In diesen Momenten liegt eine Tiefe, wie sie im Pop-Business selten geworden ist. Robbie bleibt Entertainer – aber eben einer mit Narben, Witz und Substanz. Ein „Typ mit psychischen Problemen im Stadion“, wie er selbstironisch sagt – aber eben auch ein Typ mit einer Ausstrahlung, die das ganze Stadion in Atem hält.
Greatest Hits ohne Fehlzündung
Was viele Künstler ihre ganze Karriere lang nicht schaffen, bringt Williams an einem Abend auf die Bühne: eine Setlist, die wie ein chronologisch perfekt abgestimmter Rausch funktioniert. „Come Undone“, „Feel“, „Rock DJ“, „No Regrets“, „Love My Life“ – jeder Song trifft. Jedes Arrangement sitzt. Die Show ist akustisch und visuell eine Wucht. Kein Lückenfüller, kein Durchhänger.
Mit seiner Hymne „Angels“ lässt Robbie dann die Zeit stillstehen. Tausende Handylichter verwandeln das Stadion in ein flackerndes Lichtermeer. Robbie hält inne. Sagt nichts. Atmet. Dann: „Das ist mein Lieblingsmoment der Tour.“ Und niemand im Publikum wird ihm da widersprechen.
Mittendrin statt nur auf der Bühne
Als Robbie auf die kleine C-Stage mitten im Innenraum wechselt, verändert sich die Atmosphäre. Die große Show wird klein, direkt und nahbar. Mit „Supreme“ sorgt er dort für einen Moment zwischen Groove und Intimität – ohne großen Pomp, getragen von Stimme, Licht und Präsenz. Es ist der Beweis, dass Größe nichts mit Lautstärke zu tun hat.
Später dann, auf der B-Stage am Ende des langen Laufstegs, folgt einer der persönlichsten Momente des Abends. Robbie entdeckt Jessi aus Münster, die zehn Pferde besitzt – und schenkt ihr etwas ganz Besonderes. Sie darf lange an seiner Seite bleiben, eng in seinen Arm geschmiegt, während er danach auf einem Barhocker sitzend „She’s the One“ für sie spielt. Zart. Nah. Unvergesslich.
Diese Mischung aus Frechheit, Charme und echter Empathie beherrscht eben nur einer.
Ganz persönlich – vor dem großen Finale
Bevor das große Finale beginnt, wird Robbie noch einmal ganz leise – und ganz echt. Er spricht über schwer erkrankte Familienmitglieder, über die Endlichkeit des Lebens, über Angst. Auch über die Angst, mit dieser Tour zu scheitern. „Ich hatte richtig Bammel vor den Proben“, sagt er offen. Es sei seine Frau gewesen, die ihm diesen Druck genommen habe. Die ihm Mut gemacht habe, wieder rauszugehen. Und er zeigt, was kaum ein anderer Superstar seiner Liga so überzeugend schafft: echte Nahbarkeit. Ohne Filter. Ohne Schutzschicht.
„My Way“ – mit Stolz, Würde und Familie
Dann erklingt „My Way“. Und während Robbie diese Hymne mit kraftvoller Stimme und einer fast andächtigen Präsenz singt – in einer Version, die selbst Frank Sinatra nicht besser hätte liefern können – erscheinen auf der Leinwand nacheinander die Bilder seiner Kinder. Jedes einzelne wird liebevoll vorgestellt. Stolz. Berührend. Und vollkommen uneitel. Robbie zeigt, dass Familie für ihn nicht bloß eine Kulisse ist, sondern ein Rettungsanker. Eine Quelle. Ein Zuhause.
Es ist ein Moment, der Gänsehaut schafft – nicht wegen der Inszenierung, sondern wegen seiner Echtheit. Ein Superstar, der sich in seinem größten Moment nicht überhöht, sondern menschlich bleibt.
Abschied mit Licht statt Feuer – „Angels“ als leuchtender Schlusspunkt
Zum Abschluss bittet Robbie sein Publikum, die Handylichter einzuschalten. Die Arena gehorcht – und wird zu einem funkelnden Lichtermeer. Dann erklingt „Angels“. Kein Feuerwerk. Keine Pyrotechnik. Nicht bei diesem Song – nicht während der gesamten Show. Denn Robbie Williams selbst war das Feuerwerk. Mit Stimme, Charisma, Nähe und Kraft.
Ein überwältigender, fast zerbrechlicher Abschluss. Und gleichzeitig der krönende. So still, so groß, so Robbie.
Von der Clubbühne ins Stadion – eine Hannover-Legende wächst
Es war Robbies fünfter Auftritt in Hannover. Zum ersten Mal stand er am 6. September 1999 im Capitol auf der Bühne – vor 2.000 Fans, viele davon aus England angereist. Es folgten die legendäre Show vor 70.000 Fans bei brütender Hitze auf dem EXPO-Gelände 2003, zwei gefeierte Stadionkonzerte 2013 und 2017 – und nun der Abend, der sie alle in den Schatten stellt.
Vom geschassten Boyband-Mitglied zum globalen Superstar. Vom Popclown zur ehrlichen Haut. Robbie Williams hat in Hannover nichts bewiesen – er hat gefeiert. Sich selbst. Die Musik. Die Menschen.
Ein Abend für die Ewigkeit
Dieses Konzert war kein Revival. Kein Abziehbild der frühen Nullerjahre. Es war Robbie Williams, wie er 2025 sein will: ironisch, ehrlich, emotional, stimmgewaltig – und schlichtweg grandios.
Er krönte sich an diesem Abend zum „King of Entertainment“ – nicht aus Arroganz, sondern mit jeder Sekunde Bühnenzeit, mit jeder Pointe, jeder Geste und jeder Melodie.
Ein Rock’n’Roll-Spektakel voller Showgröße, Tiefgang und Ekstase. Ein Triumphzug – ohne Pyrotechnik, aber mit Flammen in der Stimme. Robbie Williams hat geliefert. Und Hannover? Hat’s gespürt. Von der ersten bis zur letzten Sekunde.
Danke, Robbie. See you next time.